MdB Ina Latendorf: Gedanken nach anderthalb Jahren Bundestag
Nach mittlerweile über eineinhalb Jahren im Bundestag verfestigt sich bei mir immer mehr eine zentrale Kritik an der Ampelkoalition: Es werden Gesetze und Verordnungen angeschoben, aber ohne Folgenabschätzung und mit zu wenig Bezug zur Praxis.
Mein Politikverständnis ist ein anderes: Ich bin angewiesen auf die Erfahrungen der Praktikerinnen und Praktiker aus meinen Politikfeldern der Landwirtschaft, der Ernährung und der Fischerei. Deswegen fahre ich viel im Bundesland umher und treffe mich mit verschiedenen Akteuren. Gerade im Hinblick auf die notwendige sozial-ökologische Wende in der Landwirtschaft sind mir zwei Sachen wichtig: Erstens, wir müssen unsere Vorstellungen klar kommunizieren, damit Praktikerinnen und Praktiker sich darauf einstellen können – Hauruck funktioniert nicht. Und zweitens, wir müssen ihren Erfahrungen und Vorstellungen zuhören, denn vielfach kommen aus der Praxis Vorstellungen, die in der Politik noch gar nicht angedacht wurden. Praktikerinnen und Praktiker sind die Experten ihres Fachs.
Was passiert, wenn dieser enge Kontakt zur Praxis fehlt, sehen wir gerade insbesondere bei der Holzhammerpolitik des grünen Bundeministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. So geht etwa die neue Tierhaltungskennzeichnung völlig an der Realität vorbei. Es geht dabei nämlich nur ums Schwein, und dabei auch nur um die Zeit der Mast. Geburt und Schlachtung sind nicht beachtet. Vollständige Transparenz oder Planungssicherheit in der Tierhaltung? Fehlanzeige! Aufzucht und Schlachtung können so einfach in andere Länder ausgelagert werden. Dem Tierwohl ist damit nicht geholfen und die Preise in Deutschland werden trotzdem steigen. Gewonnen haben am Ende nur wieder die großen Tierindustrien Tönnies und Co.
LINKE Agrar- und Ernährungspolitik sieht anders aus: Wir fordern deutlich mehr regionale Orientierung in der Produktion. Es muss endlich Schluss sein mit der Fixierung auf den Weltmarkt, der die Standards senkt und die Gewinne für einige große Akteure erhöht. Auch muss die Spekulation mit Nahrungsmitteln endlich verboten werden. Landwirtschaft darf nicht mehr großen Agrar- und Lebensmittelkonzernen die Taschen füllen. Stattdessen müssen Ökonomie, Ökologie und Soziales in der Landwirtschaft zusammengedacht werden – stabile Preise im Supermarkt, kostendeckende Preise für Landwirtinnen und Landwirte.
Natürlich muss die Landwirtschaft ökologischer werden, ohne dass alle einen Ökostempel bekommen. Umweltfreundlich geht auch konventionell. Wie, das habe ich mir beim Landwirt Heinrich Heitmüller (Foto) angeschaut. Er macht mit beim Forschungsbündnis ArtIFarm von der Hochschule Stralsund. Auf seinen Feldern wird der Einfluss von Düngung und Bodendaten auf das Wurzelwachstum erforscht. Ziel ist die pflanzengenaue Ausbringung von Düngemittel, um den Einsatz insgesamt zu reduzieren, man könnte auch sagen: zu optimieren. Solche Forschungen müssen gestärkt werden. Denn Landwirtinnen und Landwirte sind es, die die Welt ernähren – und essen müssen wir alle.
Ich werde daher weiter viel unterwegs sein in unserem schönen Bundesland und mir die Expertise der Fachleute holen und ihnen erzählen, wie LINKE Agrarpolitik aussieht. Und immer wieder werde ich dabei merken: Unsere Vorstellungen kommen an. Die Leute sind bereit für die Umstellung der Landwirtschaft. Sie wünschen sich aber Planungssicherheit und Orientierung.