Armut trotz Vollzeit im Callcenter – Branchentarifvertrag erforderlich

Henning FoersterPressemeldungen

Zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Entwicklung der Callcenter-Branche in M-V“ (Drs. 7/1750) erklärt der wirtschafts- und gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Henning Foerster:

„Es ist höchste Zeit, dass die Arbeitgeber in der Callcenter-Branche einen tariffähigen Arbeitgeberverband gründen. Dann würde sich erübrigen, dass die Gewerkschaften in einen Häuserkampf für jeden einzelnen Betrieb ziehen müssen, um Haustarife zu vereinbaren. Es muss ein Branchentarifvertrag verhandelt werden, in dem nicht nur das Entgelt, sondern auch Arbeitszeiten und Urlaubsansprüche geregelt sind.

Es ist ein Armutszeugnis, dass die Landesregierung nichts über die Lage der mehr als 12 000 Beschäftigten in der Callcenter-Branche weiß. Ihr liegen weder über die Tarifbindung noch über Bemühungen um einen tariffähigen Arbeitgeberverband irgendwelche Erkenntnisse vor. Sie bemüht sich offenbar auch nicht darum, mit den Sozialpartnern ins Gespräch zu kommen.

Auch zu den Durchschnittslöhnen der Branche in M-V kann die Landesregierung keine Aussagen treffen. Dabei weist die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Entgeltatlas 2016 für die mehr als 6000 Vollzeitbeschäftigten in den Callcentern des Landes ein durchschnittliches Entgelt in Höhe von 1664 Euro aus, was damit noch um 28 Euro unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder liegt, 208 Euro unter dem Bundesdurchschnitt und sogar 419 Euro unter dem der westdeutschen Länder.

Damit arbeiten beinahe 3000 Vollzeitbeschäftigte der Branche (45 Prozent) für ein Entgelt unter der Armutsschwelle für M-V und mehr als 4600 (70 Prozent) unter der Armutsschwelle der Bundesrepublik Deutschland. Die 6553 Vollzeitbeschäftigten stellen gegenwärtig gerade einmal die Hälfte der Callcenter-Beschäftigten. Bei den 5760 Teilzeitbeschäftigten fallen niedrige Löhne und Teilzeit zusammen, was erst recht in die Armutsfalle führt. Armut trotz Arbeit gilt somit landesweit für die Callcenter im Land.“